In Gottes Wahrheit leben. Religiöse Kriegsdienstverweigerer im Zweiten Weltkrieg.

Helmut Kurz unter Mitwirkung von Helmut Donat. In Gottes Wahrheit leben. Religiöse Kriegsdienstverweigerer im Zweiten Weltkrieg. Donat-Verlag, Bremen 2021. 319 S. 18, 00 Euro, ISBN: 978-3-943425-98-7
Das von Pax Christi herausgegebene Buch ist – zuerst durch die christlichen Zeugnisse der Kriegsdienstverweigerer – ein Glaubensbuch im besten Sinne des Wortes. Es ist sodann ein Gedenkbuch, das an Namen und Lebensgeschichten von 22 nach Gerichtsurteilen ermordeten Kriegsdienstverweigerern erinnert. Es ist ein Buch mit pädagogischen Absichten, weil es letztlich persönliche Schicksale und Lebensgeschichten einzelner Menschen sind, die unser Interesse an historischen Themen und unser Mitgefühl ansprechen. Und es ist schließlich ein hochpolitisches Buch, denn „Verweigerer stärken den Mut zu eigenständigem Handeln … mahnen zur Wachsamkeit gegen neue Kriegspläne“ und „zeigen Wege einer künftigen Friedensordnung auf“.
Ein erster Teil skizziert in vier Kapiteln kurz und prägnant den Kontext von Kriegsdienstverweigerung im „Dritten Reich“: So wird in Hitlers Kriegspläne und seinen Hass auf Verweigerer, in die NS-Militärjustiz, in religiöse Positionen zu Krieg und Kriegsdienstverweigerung im Dritten Reich und in das Thema „Widerstand und Verweigerung“ eingeführt. Anknüpfend an die nicht sehr umfangreiche frühere Literatur zum Thema der Kriegsdienstverweigerung hat Helmut Kurz eine ganze Reihe bislang unbekannter Verweigerer ausfindig machen können. Im zweiten, dem Hauptteil des Buches zeichnet er 22 Lebensbilder von religiösen Verweigerern des Kriegsdienstes aus dem zweiten Weltkrieg einfühlsam nach. Dazu gehören jeweils eine Darstellung der Lebensgeschichte und der Abdruck von Briefen, weiteren Dokumenten und – soweit noch vorhanden – Photographien. Der Schwerpunkt der Darstellungen liegt bei katholischen Kriegsdienstverweigerern. Daneben werden die Lebensgeschichten von zwei Zeugen Jehovas (etwa 80 % der Kriegsdienstverweigerer waren Zeugen Jehovas), einem Baptisten, einem Mitglied der Sieben-Tage-Adventisten-Reformationsbewegung und drei evangelischen Kriegsdienstverweigerern exemplarisch beschrieben und dokumentiert. Helmut Kurz gelingt es, in diesen sehr einfühlsamen Porträts die Geschichte(n) der 22 Männer, ihre verschiedenen Herkünfte und unterschiedlichen Prägungen sowie die jeweiligen Begründungen ihrer Verweigerung lebendig werden zu lassen, was immer wieder die Frage herausfordert: Wie hätte ich mich verhalten? Wie hätte ich meinen Glauben gelebt? Was kann ich heute tun und wie begründe ich meine eigenen Positionen zu Krieg und Frieden? In einem dritten Teil zeichnet der Verfasser zunächst Grundzüge einer veränderten Sicht der Kriegsdienstverweigerer in der deutschen – juristischen und politischen – Nachkriegsgeschichte ebenso nach wie die dabei begegnenden furchtbaren juristischen Kontinuitäten zwischen „Drittem Reich“ und der „Bundesrepublik Deutschland“. Es folgen kurze Hinweise auf Impulse aus der Evangelischen Kirche auf dem Weg zum gerechten Frieden und auf Aufbrüche in der Katholischen Kirche. Das Buch schließt mit einem – für mich als evangelischen Theologen spannenden – Kapitel zu Kriegsdienstverweigerern als Märtyrer und Selige einer ökumenischen Christenheit – spannend deshalb, weil Kurz hier die Bedeutung der katholischen Volksfrömmigkeit mit ihrer Verehrung der Heiligen und Seligen jenseits kirchenamtlicher Verkündigung und theologischer Reflexion gerade hinsichtlich des Gedenkens auch der Kriegsdienstverweigerer verdeutlicht und mit Otmar Fuchs zeigt, dass in der Volksfrömmigkeit nicht selten gerettet wurde, was in der offiziellen Verkündigung und Reflexion dem Volk vorenthalten wurde: „So kämpft die Volksfrömmigkeit immer gegen die Abstrahierung Gottes von ihrem Leben und gegen die Rationalisierung Gottes weg von ihren Gefühlen.“ So gewinnt die Begegnung mit Vorbildern Traditionen der Volksfrömmigkeit noch einmal einen ganz anderen und besonderen Wert.
Helmut Kurz ist ein Geschichtsbuch mit Geschichten gelungen, dem weite Verbreitung nicht lediglich in der Jugendarbeit unserer Kirchen und christlichen Gemeinden und Gruppen zu wünschen ist. Dazu trägt nicht zuletzt der Schreibstil des Autors bei, der in einfacher Sprache Genauigkeit und Einfühlung zu verknüpfen weiß und so Kopf und Herz in gleicher Weise anzusprechen versteht.
Rezensent: Gottfried Orth