Fritz Erich Anhelm, Das Narrenschiff reloaded


Hier eine Rezension von Gottfried Orth


BoD Norderstedt 2021. 172 Seiten, Paperback, 14,80 Euro, inkl. MwSt., portofrei, ISBN-13: 9783753417042 (Als E-Book 4,99 € )

1494 veröffentlichte Sebastian Brant sein „Narrenschiff“, wie es in der Vorrede heißt,
„zu nutz und heylsamer ler
vermanung und ervolgung der wysheit
vernunft und guter sitten:
Ouch zu verachtung und straff der narheyt
blintheyt yrrsal und dorheit
 all stat und geschlecht der menschen“
wie es in der damaligen Vorrede geheißen hat. Eine Zeitenwende kündigte sich damals an und Sebastian Brant, ein deutscher Humanist und Jura-Professor in Basel, hält der Welt ebenso kritisch wie satirisch den Spiegel vor. Fritz Erich Anhelm, ehemaliger Direktor der Evangelischen Akademie Loccum und Generalsekretär der Evangelischden Akademien in Deutschland, nimmt diese Form des Narrenspiegels auf und beschreibt – wie sein Vorgänger – in 112 Kapiteln aus „Knittelversen“ aktuelle Verhaltensweisen und Problemlagen:
„Dass Narrenschiff, auf dem ich fahr,
ist nicht Fiktion und leider wahr.
Doch auf ihm spiegelt sich die Welt
in dem, was mir ins Auge fällt.
Den Anderen fällt andres ein.
Kein Narr fährt auf dem Schiff allein.“
Die Themen, die Fritz Erich Anhelm aufgreift, sind diejenigen, die ihn auch in seinem Arbeitsleben wichtig waren: Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung/Verantwortung für die Natur; es sind zunächst die Themen des Konziliaren Prozesses der Ökumene. Sie setzt er gegen Vorteilssucht, Geiz und Gier, Gewalt, Machtgehabe und Ignoranz, „denn selbst der Wissenschaft Befund, dass Erde unter uns verbrennt, ist Narren längst nicht evident“. Dazu kommen Themen die dem aufgeklärten Politikwissenschaftler wichtig sind wie demokratische, politische Gestaltung, Willensbildung und Zivilgesellschaft, Überwachungsstaat und Digitalisierung und vieles andere mehr.
Der Zugang über die Versformen des Narrenschiffes lässt die Themen, die uns täglich in der Zeitung oder auch der wissenschaftlichen Literatur begegnen, nochmals berührender werden: Knittelverse schaffen neben Information und satirischem Biss auch emotionale Betroffenheit: ja, so droht turbogetrieben der Untergang: „Ob es der Westen je kapiert, dass er viel Elend produziert, wo er sich selbst globalisiert?“
So geschieht Aufklärung im besten Sinne: Aufklärung gepaart mit Ermutigung, Lebenskunst und Tugend sowie dem Hinweis auf gesellschaftlich-zivile wie nachbarschaftlich-einander beistehende Lebensformen. Selbstreflexiv wendet sich der Schluss:
„Doch schreibe ich nicht aus dem Bauch.
Die Analysen kenn ich auch.
Der Narrheit wird nur vorgebeugt,
wenn erst Vernunft uns überzeugt.
Da steht mir fester Glaube bei,
der sagt, dass da noch Hoffnung sei. …
Und Praxis, die es besser kann,
sie treibt zivilen Mut voran.
Falls nicht, so bin ich halt der Schelm
mit bunter Kappe, nicht dem Helm.“