Papst Franziskus: Mensch des Friedens. Zum friedenstheologischen Profil des aktuellen Pontifikats

Stefanie A. Wahl, Stefan Silber / Thomas Nauerth (Hrsg.), Papst Franziskus: Mensch des Friedens. Zum friedenstheologischen Profil des aktuellen Pontifikats. Verlag Herder, Freiburg, 1. Auflage 2022, 240 Seiten, ISBN: 978-3-451-39383-9. 25,00€. Rezensent hier: Gottfried Orth


Das Buch kommt zur rechten Zeit, um den großen Kirchen friedenstheologische, friedenskirchliche und friedensethische Perspektiven zu eröffnen. Zentrale Perspektive aller Beiträge des Buches ist die Aufforderung von Papst Franziskus aus seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 2017: „machen wir die aktive Gewaltfreiheit zu unserem Lebensstil“. In der gegenwärtigen Diskussion um Waffenlieferungen an die Ukraine ist diese Botschaft des Papstes eine bedeutsame Unterstützung nicht zuletzt der Friedensbewegungen in aller Welt, vor allem aber auch der pazifistischen Bewegung in der Ukraine.

Nach einer Einführung der Herausgeber:in, in der diese auf die theologischen, christologischen und präsentisch-eschatologischen Perspektiven der Friedensperspektiven des gegenwärtigen Papstes hinweisen, folgen elf Beiträge, von denen jeder für sich es wert ist, besprochen zu werden. Spannend zunächst der Aufsatz von Norbert Arntz, der kritisch die Übersetzungen von „Evangelii gaudium“ und „Fratelli tutti“ vergleicht und ebenso klar wie vorsichtig auf unterschiedliche Übersetzungen mit den kritischen Fragen verweist: „ausgelassen, übersehen, vergessen, unterschlagen“. Ein ideologiekritischer Beitrag zur Übersetzungspolitik. Michelle Becka eröffnet sodann eine friedensethische Lektüre von „Laudato si“ und Peter Kohlgraf eine verantwortungsethische Hinführung zu „Fratelli tutti“, die zur vertieften Lektüre der beiden päpstlichen Lehrschriften anregen. Für mich ein Highlight des Buches sind die Beiträge von Josef Freise zu den „Ansätzen einer dialogischen interreligiösen Friedenstheologie bei Papst Franziskus“ und von Saida Mirsadri „Kein Weltfrieden ohne Religionsfrieden. Der Beitrag von Papst Franziskus zum Weltfrieden – Eine Betrachtung aus muslimischer Sicht“. Beide Texte enthalten sorgfältige Analysen nicht lediglich der Texte von Franziskus, die immer wieder geprägt sind von der Wertschätzung religiöser Vielfalt, sondern beziehen auch seine bedeutsamen Reisen in Länder ein, in denen mehrheitlich Muslime und Muslimas leben, bei denen Franziskus die Brüderlichkeit/Geschwisterlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt praktisch vorlebt und bezeugt. Norbert Mette verweist auf Konkretionen des „dritten Weltkrieges“ und legt die Schwerpunkte seines Beitrages auf die von Franziskus vorgenommene Ächtung von Krieg und Rüstungswettlauf sowie auf die Forderung nach einem Verbot der atomaren Vernichtungsmittel – einem Thema, dessen sich auch Heinz-Günther Stobbe in einem eigenen Beitrag annimmt. Gewalt, Krieg und Terrorismus, so Mette zusammenfassend, sind nicht religiös zu rechtfertigen: „Religion (und eben nicht lediglich die christliche, v.m.) ist vielmehr Liebe, Einheit, Respekt, Dialog usw.“ Thomas Nauerth und Stefan Silber gehen den „Handwerkern des Friedens“ nach: Nauerth weist in besonderer Weise auf Wort und Sache, d.h. Praxis (!) der Barmherzigkeit und der Zärtlichkeit hin, die der Papst neu oder in neuer Weise in die theologische Debatte einbringt und so dort theologisch angekommen ist, wo der täuferische Theologe Hans Denck 1527 angekommen war: „Mit Gewalt verfahren und herrschen ist keinem Christen erlaubt“. Silber legt seinen Schwerpunkt zunächst ähnlich wie Mette auf den „dritten Weltkrieg Stück für Stück“, ehe er die Dimensionen gewaltfreier Friedensarbeit thematisiert und dabei entschieden darauf hinweist, in Kontakt mit den Wunden zu treten und auf die Wahrheit der Opfer der Gewalt zu achten, denn Menschen sind nie und nimmer „Kollateralschäden“. „Si vis pacem, para pacem“ ist der Beitrag Egon Spiegels überschrieben, der zunächst das für ihn zentrale friedenstheologische Dokument des Papstes, seine Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 2017 exegesiert und dabei insbesondere auf die Feindesliebe als „Kern der christlichen Revolution“ und auf die Traditionen Gandhis, Kings und Khan Abdul Ghaffar Khan (!) hinweist, in die sich Franziskus stellt. Spiegel thematisiert sodann eine friedenswissenschaftliche Verortung der päpstlichen Lehre und kommt zu dem Schluss: „Summa summarum hat der Papst nicht nur in ethischer Perspektive die „Lehre vom gerechten Krieg“ durch die „Lehre vom gerechten Frieden“, sondern auch in strategischer Perspektive das „si vis pacem, para bellum“ durch das „si vis pacem, para pacem“ ersetzt.“

Die Darstellungen und Analysen des Buches lesen sich als eine hervorragende Einführung in die unterschiedlichen Dokumente des aktuellen Pontifikats zum friedensethischen Thema aktiver Gewaltfreiheit und Friedensarbeit und ihren friedenstheologischen (!) Begründungen und machen so Mut und Neugier, die Dokumente selbst (nochmals) zu lesen. Was kann theologische Sekundärliteratur besseres leisten?!