Kirche und Militär - die Zusammenarbeit beenden!
34 Thesen


Diese Thesen wurden von Christen und Christinnen, die Mitglied im Internationalen Versöhnungsbund und/oder in der DFG-VK sind, am 14.08.2014 in Wittenberg an den Bauzaun der Schlosskirche geheftet.

  1. Re-formieren heißt zurück-formen, nämlich zurück zur Quelle. Sich immer neu an Jesus Christus orientieren. Ecclesia semper reformanda! Die Kirche muss immer reformiert werden - auch heute.
  2. Jesus von Nazareth hat gewaltlos gelebt. Er hat die Friedensstifter selig gesprochen. Er hat gelehrt, wie man aufrecht bleiben kann, auch wenn man angegriffen wird (Mt 5). Bei seiner Verhaftung hat er sich nicht gewehrt.
  3. Martin Luther hat viele Bereiche der Kirche und des Lebens reformiert. Dabei hat er das Thema „Militär und Gewalt“ ausgeklammert. An der Zusammenarbeit der Kirche mit dem Militär hat sich durch die Reformation wenig geändert.
  4. Das Jubiläum „500 Jahre Reformation“ könnte ein Anlass sein, dieses „vergessene“ Stück Reformation nachzuholen.
  5. Als ChristInnen sind wir berufen, mitten in dieser Welt, die voll Gewalt ist, ZeugInnen seines Friedens zu sein. Wir dürfen im Geist seines Friedens leben.
  6. Jesus hat gesagt: Das Reich Gottes ist nahe herbei gekommen; es hat unter uns bereits begonnen.
  7. Zum Reich Gottes gehört zentral die Gewaltlosigkeit. In der kirchlichen Lehre werden traditionell aber andere Aspekte des Glaubens betont. (Siehe Fußnote Nr. 1)
  8. Die ChristInnen der ersten beiden Jahrhunderte - auch Bischöfe und die so genannten Kirchenväter - haben alles Militärische abgelehnt. In der Theologie wird dies selten gelehrt.
  9. Spätestens seit der Konstantinischen Wende (4. Jh) wurde der Gedanke von der „Nachfolge Christi“ verdrängt. Er hat von da an nur am Rande der Kirche überlebt. Nachfolge Christi ist ein Leben in seinem Geist, nach seinem Vorbild.
  10. Die großen Kirchen fahren noch immer zweigleisig: Wenn man mit gewaltlosen Methoden keinen Erfolg hat, dann darf man als angeblich „letzte Möglichkeit“ auch Gewalt anwenden. Wir fordern: Die Kirchen sollen ganz auf gewaltlose Mittel setzen.
  11. Nicht nur der Glaube sondern auch die Vernunft und statistische Untersuchungen  zeigen: Gewaltfreie Mittel sind nachhaltiger, effektiver, kosten weniger Menschenleben - und kosten weniger Geld als militärische Methoden. (Siehe Fußnote Nr. 2)
  12. Mit der Bergpredigt lässt sich Politik machen. Beispiele sind die friedliche Revolution in der DDR 1989, die Revolution in Liberia 2003 und die Rosenkranzrevolution auf den Philippinen 1986.
  13. Paulus schreibt: "Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem." Dies gilt auch für politische Konflikte.
  14. Der Aufruf zur Gewaltlosigkeit richtet sich an alle Menschen, nicht nur an wenige Auserwählte.
  15. Der Aufruf zur Gewaltlosigkeit gilt nicht nur für das Paradies oder eine ferne Zukunft, sondern für heute.
  16. In den Volkskirchen gibt es die Angst, Mitglieder zu verlieren, wenn man sich gegen Rüstung und Militär ausspricht. Angst bestimmt das Handeln der Kirchenleitung. Aber nicht die Angst, sondern Jesus Christus soll unser Handeln bestimmen.
  17. In der Bundeswehr arbeiten etwa 200 Militär-Geistliche (Siehe Fußnote Nr. 3). Diese begleiten, trösten und unterhalten die Soldaten in der Heimat und an der Front. Sie sind nützliche Räder im militärischen Getriebe. Durch ihren Segen und ihre Begleitung stärken sie die Bundeswehr. Nur selten hat ein Militärpfarrer gesagt: Legt die Waffen nieder! Geht nach Hause!
  18. Die Kirche segnet seit dem 2. Weltkrieg keine Waffen mehr. Aber Militärpfarrer begleiten und segnen auch heute das Militär. Die Gottesdienste und Gespräche signalisieren: Gott ist mit euch, auch wenn ihr Gewalt anwendet. Gott wird euch vergeben.
  19. In vielen Ländern der Erde gibt es Militärpfarrer. Überall benutzen sie Fahrzeuge des Militärs, haben Büros in Kasernen, tragen im Einsatz militärische Kleidung und werden vom Militär bezahlt.  Ein paar Details sind von Land zu Land verschieden.
  20. Jesus Christus hat sich allen Menschen zugewendet, auch den Soldaten. Aber es ist eine Sache, sich einem Menschen zuzuwenden. Es ist eine andere Sache, deren Gewalttaten begleitend zu unterstützen.
  21. Die Kirchen in der DDR haben positive Erfahrungen damit gemacht, dass Soldaten in der Freizeit die Pfarrhäuser und Kirchen aufgesucht haben. Unsere Forderung: Diese Form der Soldatenseelsorge sollte heute in ganz Deutschland eingeführt werden.
  22. SoldatInnen und ihre Angehörigen sind willkommen in unseren Gemeinden: bei Taufen, Hochzeiten und beim Abendmahl, im Kirchenchor ...
  23. In vielen Ländern gibt es Auslandspfarrer. Diese werden von den Kirchen in Deutschland bezahlt und organisiert. Unsere Forderung: Diese Auslandspfarrer sollten gleichermaßen für Entwicklungshelfer, Diplomaten, medizinisches Personal und SoldatInnen zuständig sein.
  24. In evangelischen und katholischen Kirchen finden pro Jahre 80-100 Militärkonzerte statt. Dabei werden in der Regel keine Märsche sondern christliche Stücke gespielt.
  25. Bei diesen Konzerten überträgt sich die besondere Atmosphäre der Kirche und die Schönheit der Musik auf die Bundeswehr. Es ist Sympathie-Werbung für das Militär. Die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges wird ausgeklammert. Was würde Jesus zu Militär-Werbung in seinem Haus sagen?
  26. Auf Kirchentagen und Katholikentagen gibt es Auftritte der Bundeswehr-Musikkorps, Werbestände der Militärseelsorge und Militärgottesdienste - mit Militärbischof und VerteidigungsministerIn. Unsere Meinung: Katholikentage und Kirchentage sollten dem Frieden dienen, nicht aber dem Militär.
  27. So wie Jesus Christus die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben hat – energisch aber ohne Waffengewalt – so sollten auch wir heute alles Militärische aus den Kirchen vertreiben, vor allem die Militärkonzerte und die Militärseelsorge.
  28. Wir fordern: Die Kirchen sollen ihren Mitgliedern empfehlen, nicht beim Militär und nicht in Rüstungsfirmen zu arbeiten. Eine solche, deutliche Empfehlung fehlt bisher.
  29. Viele Kirchengemeinden, in deren Bereich sich Rüstungsfirmen befinden, verschließen davor die Augen, die Ohren und den Mund. Die betroffenen Kirchengemeinden sollen Informationen über diese Firmen sammeln und darüber diskutieren.
  30. Nicht wenige kirchliche und kirchennahe Einrichtungen lassen sich durch Rüstungsfirmen sponsern, z.B. soziale Projekte oder die Renovierung der Kirche. Als Gegenleistung wird Stillschweigen erwartet.
  31. Wir fordern: Jeder Euro, der bislang in die Bundeswehr investiert wird (über 30 Mrd. Euro pro Jahr), soll ab sofort in soziale Projekte und das Training gewaltfreier Methoden investiert werden.
  32. Die meisten internationalen Konflikte werden ohne Gewalt beigelegt. Es gibt zahlreiche Projekte der Völkerverständigung. Es gibt erfolgreiche Bemühung, bestimmte Waffenarten zu ächten. Es gibt Organisationen, die wissen, wie man bei Konflikten gewaltlos eingreifen kann: Peace Brigades International, Nonviolent Peaceforces, Christian Peacemaker Teams, Bund Soziale Verteidigung, Ziviler Friedensdienst und andere. Die Kirche sollte diese Organisationen und Projekte stärker unterstützen.
  33. Die Religionen – auch das Christentum – soll dem Frieden und der Gerechtigkeit dienen. Die Religionen sollen nicht länger dem Krieg dienen.
  34. Der Prophet Micha: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden fortan nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“

Wittenberg, 14.08.2014, hier in der Fassung von 2021

Fußnoten

(1.) Traditionelle Themen: Die Einladung an Außenseiter, die Vergebung der Sünden, die Nähe Gottes, die Heilungen…

(2.) Erica Chenoweth, Why Civil Resistance Works, New York 2011
(3.) Es sind 100 evangelische und 100 katholische Militärpfarrstellen. Manche Stellen, vor allem auf katholischer Seite, sind nicht besetzt. Manche Stellen sind von Pastoralreferenten besetzt. Auf evangelischer Seite gibt es auch Militärpfarrerinnen. Jede/r Militärpfarrer/in hat eine/n Soldaten/in als Pfarrhelfer/in an der Seite. Die Militärpfarrer werden verwaltet durch Militärdekane, Militärbischöfe und das KMBA und EKA (zwei Bundeswehr-Behörden) in Berlin.


Anmerkungen

  • An diesen Thesen hat auch DDR-Friedenspfarrer Christoph Wonneberger (Leipzig) mitgearbeitet.
  • Das Foto auf Seite 5 zeigt einen Militärpfarrer in militärischer Kleidung auf einem deutschen Kriegsschiff.

Websites
--www.militaerseelsorge-abschaffen.de
--www.musiker-gegen-militaermusik.de
--www.versoehnungsbund.de
--www.dfg-vk.de

Fragen oder Anmerkungen?
Gerne per mail an kontakt.berlin@militaerseelsorge-abschaffen.de


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